Das neue TabakerzG – und der Offliner

Vorwort:

Mit „Nullerregulierung“ meinen wir hier das am 02.07.2020 beschlossene 2. Änderungsgesetz zum TabakerzG.

Man konnte uns in der Vergangenheit sicher nicht vorwerfen, dass wir die größten Freunde der Offliner sind. Aus gut belegbaren Gründen haben wir da regelmäßig schwarze Schafe kritisiert. Aber auch nur genau diese und das ein ordentlicher Offliner gerade für den Umsteiger Gold wert ist, wissen wir alle. Hier wollen wir auf deren Probleme mit den jetzt verabschiedeten Änderungen etwas genauer eingehen.

Zum Inhalt

Nur das es im allgemeinen „Shitstorm“ um die „Nullerregulierung“ nicht untergeht: Der Bundestag hat am 02.07.2020 zwei Änderungen am TabakerzG beschlossen. Als Erstes das Thema um das es heute gehen wird:

https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2020/kw27-de-tabakerzeugnisgesetz-701734

und ganz nebenbei noch

https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2020/kw27-de-telemediengesetz-701738

Mit der Änderung des Telemediengesetzes hat man im Kleingedruckten auch eine Änderung des § 20 des TabakerzG gemacht.
Darüber hatten wir schon im Vorfeld berichtet. Diese Regelung tritt übrigens im November 2020 in Kraft 😉 .

Zur „Nullerregulierung“ ganz allgemein

Das ist die Neuregelung, über die aktuell viele reden. In Zukunft werden auch nikotinfreie Long- und Shortfills sowie „Dampfaromen“ und Base reguliert. Dabei werden sie einfach wie die 10ml Fertigliquids mit Nikotin bzw. Nikotinshots behandelt. Diese unterliegen den gleichen Regeln schon seit 2016. Es ist also nicht so, das es da eine revolutionäre Neuregelung gibt. Auch wenn der Eindruck teilweise erweckt wird.

Nur die maximal 10ml Regel greift bei den nikotinfreien Produkten nicht.

Es werden detailliertere Inhaltsangaben auf den Flaschen Pflicht und der Verbraucher wird in Zukunft mehr Infos haben, was er genau kauft und dampft. Nebenbei gelten die Werbeverbote, die schon bisher für nikotinhaltige Liquids und Shots gab, auch bei Long- und Shortfills sowie „Dampfaromen“ und Base.

Und genau in den Werbeverboten ist wohl der primäre Grund zu sehen wieso es aktuell so einen Aufschrei zu einem Thema gibt, das seit Ende 2019 recht klar absehbar war.

Wir haben schon im Vorfeld darüber berichtet (damals noch mit etwas Kaffeesatzleserei, da es ja „nur“ ein „Entwurf“ war) was da kommt, und es hätte eigentlich keinen überraschen sollen. Der einzige wirklich unklare Punkt für die meisten war damals, wie Nachfüllbehälter genau definiert wird.

Da haben offenbar viele darauf gebaut, das es nur die direkt dampfbaren Shortfills betreffen wird, die aber kaum noch Relevanz auf dem Markt haben.

Auf die Details dazu wollen wir heute hier aber nicht eingehen, sondern auf die primären Folgen gerade für den Offliner! Zu den Details der Neuregelung verweisen wir auf den VdEH, der das in einem Post recht gut zusammengefasst hat. Dass der Gesetzgeber, neben konsumentenfreundlichen Regelungen, viel „Unfug“ drin verabschiedet hat, der komplett an jeder Realität vorbei geht, ist jedem klar. Das „nuller Base“ jetzt anmeldepflichtig wird, ist nur eine der Regeln, die niemand verstehen wird. Das „Werbeverbot“ für Selbige ist nicht besser.

Ob man die Problematik eventuell mit neuen Etiketten lösen kann? Wir gehen Stand heute mal davon aus das sowas schwer wird. Aber ausschließen können wir es nicht.

Der Offliner

Die Personengruppe, die unter dieser Regulierung am meisten leiden wird, sind die Offliner! Es gilt hier leider, wie so oft, dass es die kleineren Shops härter treffen wird als die großen Ketten. Und genau die tun uns wirklich leid in der aktuellen Lage! Denn die trifft es ohne jedes Eigenverschulden. Komischerweise haben wir den Eindruck das den meisten von denen noch gar nicht klar ist, was auf sie zukommt!

Und das deren Probleme auch irgendwie ignoriert werden bei den aktuellen Diskussionen zu dem Thema. Es werden lieber Werbeeinschränkungen thematisiert, die aber den Offi (und auch weite Teile des Onlinehandels) eher weniger betreffen. Ok man kann „Flüssigkeiten“ nicht mehr auf FB und Instagram zeigen, um dem Kunden mitzuteilen was neu im Sortiment ist. Ob das aber so relevant für einen Händler ist, bezweifeln wir einfach mal.

Das Problem

Jeder Verkäufer (On- wie Offline!) sieht aktuell folgende „Herausforderung“ vor sich:

Wenig von seinem Bestand an Flüssigkeiten (außer den 10ml Fertigliquids) in seinen Regalen ist ab 01.04.2021 noch verkaufbar! Sprich in knapp 9 Monaten muss das (optimalerweise) alles abverkauft sein! Je größer und umsatzstärker der Shop, desto schneller schlägt sich meist die Ware um. Von daher werden die kleinen Anbieter, die oft viel im Regal haben, was eher selten gekauft wird, härter getroffen werden. Aber auch viele Ladenhüter müssen jetzt noch vor dem Stichtag raus.

Und wir wissen alle, dass bei ganz vielen die Lager voll sind. Und das oft nicht erst seit gestern. Selbst das, was aktuell neu eingekauft wird, ist vermutlich bei fast allen noch nicht passend etikettiert. Und bis die ganze Lieferkette von Hersteller über Großhandel und Zwischenhandel ihre Lager leer hat, wird sich an dieser Situation beim Offi wenig ändern. Der wird als letzter die „alte“ Ware bekommen und muss dann schauen, was er rechtzeitig verkauft.

Das geht ab einem gewissen Punkt nur noch über den Preis. Da werden sich sicher viele Kunden für einen langen Zeitraum sehr preiswert eindecken. Das kennen wir ja schon aus 2017. Das Ganze geht dieses Mal aber primär zulasten des Endkundenhandels! Der Hersteller, Gross- und Zwischenhandel hat sein Geld ja schon verdient, wenn der Endkundenhandel abverkaufen muss. Das sich das aber auch auf den Rest der Vermarktungskette auswirken wird, ist logisch.

Der Endkundenhandel muss jetzt bei (zu?) vielen Produkten schauen wie er zumindest auf „null“ da rauskommt!

Das man Ladenhüter vor dem MHD abverkaufen muss, ist normaler Alltag. Das sehen wir in diversen Shops jeden Tag. Wenn zu den Ladenhütern (und davon gibt es viele!) jetzt fast das Gesamtsortiment an flüssiger Ware dazu kommt, dann wird es aber schwer. Bei einem Markt in Kauflaune wie 2017 würde das eventuell ganz gut klappen. Aber heute?

Selbst wenn wir davon ausgehen das der Abverkauf erfolgreich funktioniert: Es wird finanziell wehtun! Und solange abverkauft werden muss, ist die Bereitschaft eher gering, neue „Flüssigkeiten“, die oft noch die alten Labels tragen, ins Sortiment zu nehmen.

Wieso ist das eigentlich nicht das Hauptthema in der Berichterstattung?

Wie man als Politik auf die Idee kommen konnte, eine Übergangsfrist von grade mal 3 Monaten als „ausreichend“ zu definieren, ist uns absolut unverständlich. Speziell bei einem Gesetz, das keine 6 Monate vor Inkrafttreten, verabschiedet wird. Wobei man ehrlich sagen muss, das es Bestrebungen gab, es ohne jede Übergangsfrist zu realisieren.

Die Übergangsfrist zum Abverkauf ist VIEL zu kurz!

Eine Regelung die z.B. erlaubt hätte, die am 31.12.2020 im Handel befindliche Ware bis zu ihrem MHD abzuverkaufen, wäre eindeutig besser gewesen für den Handel.

Da müssen die Verbände wirklich ran und den Rechtsweg gehen! Sollte da nicht eine massive Verschiebung der Übergangsfrist kommen, sehen wir viele Shops an dieser Problematik scheitern. Bis flächendeckend „neue“ Flaschen ausgeliefert werden vergehen vermutlich noch Monate. Wie es die Shops (speziell diejenigen die breit im Sortiment aufgestellt sind) finanziell schaffen sollen ihren gesamten Bestand an Flüssigkeiten in der kurzen Zeit „auszutauschen“ wissen wir nicht.

Aus Kundensicht

Als Kunde wird man kaum etwas davon mitbekommen, außer das ganz viele Angebote den Markt überschwemmen werden vor dem Stichtag. Und natürlich wird es auch am 1.4.2021 noch Ware geben, die man kaufen kann. Ob es alle Hersteller hinbekommen passend anzumelden oder ob sich nicht so mancher vom Markt in D zurückziehen wird? Das muss die Zukunft zeigen! Aber beim aktuellen Überangebot, das grade bei Flüssigkeiten herrscht, wird das für die breite Masse verkraftbar sein, wenn einzelne Anbieter wegfallen.

Auch wenn wir eine Verkleinerung des Marktangebotes grundlegend schlecht finden, war das wohl absehbar. Es herrscht leider ein massives Überangebot und noch immer kommen wöchentlich Dutzende bis Hunderte neue Produkte auf den Markt von denen kaum ein Endkunde je hören wird. Geschweige denn sie je zu Gesicht bekommen wird.

Wie immer: Lass uns eure Anmerkungen auf FB wissen und euch einen schönen Tag noch