Die Dampferschaft und der Wandel der Zeit

Im Moment wird vielerorts die Situation auf dem Dampfermarkt wieder einmal teils heftig diskutiert. Dabei zeigt sich, dass viele zu sehr in ihrer Blase und dort in der Vergangenheit gefangen sind. Generell wird selbst fachliche und belegbare Kritik immer aggressiver angegangen.

Offenbar liegen da viele Nerven sehr blank (grade bei den Marktteilnehmern) !

Was aktuell auf dem Dampfermarkt passiert, haben wir Älteren schon in diversen Boom Branchen erlebt. Es ist eine Mischung aus dem Ende eines Runs mit einer Goldgräberstimmung und hunderten meist kleinen und leider oft etwas unprofessionell operierenden Anbietern. Viele davon sind „Selfmade“-Akteure mit „Charakter“, die auch die leichteste Kritik an ihren „Babys“ als persönliche Beleidigung auffassen. Das wird gepaart mit einer Werbemaschinerie, die nur noch neue #beschde Produkte kennt und die Kunden für ziemlich dumm hält. Und das trifft auf eine Kundschaft, die mittlerweile mehr erwartet als halbfertige Produkte, deren Bugs beim Kunden reifen. Meist sind diese Bugs sogar erst beim Nachfolger behoben, der natürlich als „neues“ Produkt oder zumindest kostenpflichtiges Upgrade verkauft wird. Und dann gibt es immer mehr einfache und preiswerte Produkte, die „einfach und narrensicher“ funktionieren und den Massenmarkt erobern, teils komplett an den „alten“ Vertriebswegen (dem Fachhandel) vorbei vom Discounter oder Online.

Vergleiche zur PC Branche

In den Jahren 2000-2005 ist viel Vergleichbares in der PC Branche passiert. Der Kunde wurde merklich kritischer was die Qualität der Produkte angeht (was nicht heißt, er wurde wirklich kritisch sondern wirklich nur merklich kritischer!) und hat Bugs und Fehler weniger akzeptiert als vorher. Dazu kam, dass Preis/Leistung im Massenmarkt viel relevanter ist als im Hobbybereich und der Kunde nicht mehr bereit war, für vielleicht 10-15% mehr Leistung (oder Geschmack, etc) einen immensen Aufpreis zu zahlen. Solche Kunden machen nur einen sehr kleinen Prozentsatz aus. Die Massenmarkt Produkte waren gut genug geworden, dass man das „Extra“ an Leistung nicht mehr zwingend brauchte. Als Folge sind die meisten Fachgeschäfte durch Ketten und den Onlinehandel ersetzt worden.

Das passiert zur Zeit auch auf dem Dampfermarkt , und wir stecken gerade mitten darin!

Die Veränderungen in der Kundschaft

Die heutigen Käufer sind in den meisten Bereichen nicht mehr Enthusiasten, Bastler, Freaks und Nerds, sondern bilden einen breiten Massenmarkt bestehend aus einer vielschichtigen Kundschaft, die erwartet, dass die Produkte „out of the Box“ funktionieren. „Der Weg ist das Ziel“ als Verkaufsphilosophie passt nicht zu diesem Anspruch.

Wie sieht es also konkret auf dem Dampfermarkt aus?

Die Branche wandelt sich massiv. Innerhalb der Blase fällt das nur am Rande auf. Wenn man sich aber gezielt mit Neudampfern dieses Jahres unterhält, merkt man es sehr deutlich. Es ist nicht mehr 2015-2018, als der Kunde ein neu gekauftes Produkt als Übergangslösung bis es etwas Besseres oder Neueres gab, ansah. Ein aktiver Nutzungszeitraum von 3-6 Monaten – bevor es durch etwas Neues ersetzt wird – wurde in diesen Jahren oft als „ausreichend“ empfunden.

„Damals“ durfte man sich – wenn man die mangelnde Verarbeitung eines Produktes kritisiert hat – oft anhören, dass es ja lange genug hält bis etwas Neues auf den Markt kommt, das man unbedingt haben will. Heute lese ich eher, dass es untragbar ist, dass ein „Allday“ Akkuträger, der seit 9-12 Monaten im Freien bei Wind und Wetter beim Arbeiten verwendet wird, „schon“ defekt ist. Auch wird heute kritisiert, wenn ein Anbieter nach fast 2 Jahren ein Produkt einstellt und durch einen Nachfolger ersetzt. Und genau diese Meinung, die von ganz vielen recht stillen Mitlesern und „Ottonormal“-Dampfern vertreten wird, steht im Widerspruch zu dem, was in Hypes propagiert wird.

Die Bestandskunden

Viele der „alten Hasen“ sind einfach bei einem bzw. mehreren Setups angekommen, mit denen sie „glücklich genug“ sind. (1) Man hat vom Top- zum Bottomcoiler über RDAs, RTAs, RDTAs bis zu Exoten alles schon probiert und meist auch daheim. Das Gleiche gilt für Akkuträger, Aromen und Liquids und vieles Andere. Die meisten Kunden aus dieser Gruppe haben in den Boomjahren 2015-2018 ganz viele Neuerscheinungen mitgenommen und probiert. Natürlich kauft man sich ab und zu noch etwas, weil es interessant erscheint, aber eigentlich ist man „angekommen“. Als Kundschaft 2019 fallen sie damit fast völlig heraus. Wir denken, es ist vielen Marktteilnehmern gar nicht bewusst, wie groß dieser Anteil ist. Wenn wir an 2016 oder 2017 denken, bleiben Bilder von Dampfern in Erinnerung, die z.B. die Smok Alien oder Asmodus Minikin V2 in allen Farben gekauft haben. Sowas findet man heute fast nicht mehr.

Die Neukunden

Man hat viel zu lange die „Umsteiger“, welche die nachkommenden „Neukunden“ (und bestenfalls späteren Stammkunden!) sind, fast komplett ignoriert. Der Verkauf und das Marketing in die „Blase“ hinein versprach schnellere und bessere Rendite. Das hatten wir bereits 2016 in Gesprächen mit Offlinern bezüglich deren Sortiment und ab 2017 auch auf FB kritisiert. Noch deutlicher wirkt sich auf den Umsatz aus, dass die Anzahl der „Neukunden“, die heute noch in den „Hobby/Enthusiast“-Bereich wechseln, recht überschaubar ist. Viele Dampfer sind heute mit ihren Pods/AiO mehr als zufrieden und wollen sich auch nicht mit komplizierteren Funktionen an ihren Geräten befassen! Die Pods/AiO sind entsprechend weiterentwickelt worden und genügen durchschnittlichen Ansprüchen in jeder Hinsicht. Mehr MUSS nicht sein, damit es „gut genug“ schmeckt!

Der sich anpassende Dampfermarkt

Erinnern wir uns an den „alten“ Artikel zum Dampfermarkt: Seitdem gab es eine Menge Feedback von Shops und Ketten. Auch haben sich Shopbesitzer in anderen Ländern mittlerweile öffentlich dazu geäußert. Jai Haze in den USA hat zum Beispiel für sich und seinen Shop den Break vor etwa 8-10 Monaten gesehen. Er beziffert den Umsatzeinbruch mit 30-50% im Vergleich zum Vorjahr. Als Ursache für den Einbruch benennt er in seinem Umfeld primär die Pods und AiO Systeme. Die „echten“ Hobbydampfer kommen seiner Meinung nach kaum noch nach. Und die etablierten Dampfer sind meist wirklich komplett ausgestattet. Sie kaufen gelegentlich etwas Neues, aber nicht in der Frequenz wie früher. Das deckt sich fast genau mit unseren Erfahrungen in Deutschland und dem, was wir von vielen Anbietern hier hören. Wie oben schon erwähnt, verlagert sich viel vom Hobby- in den Massenmarkt.

Für den (Neu-)Kunden sind die heutigen Pods/AiO geschmacklich gut genug (vor allem, wenn er nichts Besseres kennt), er muss sich nicht mit der genauen Funktionsweise und den elektronischen Zusammenhängen beim Dampfen auseinanderesetzen. Zudem kann er gegenüber dem Rauchen einiges einsparen! Eventuell kommt noch ein Kit mit einem Fertigcoiler dazu wegen der besseren Akkulaufzeit. Der Preis ist bei ganz vielen immer noch DAS Umstiegsargument! Genau diese Neudampfer tragen den Umsatz auf dem Dampfermarkt nicht auf dem Level weiter, wie es ihre Vorgänger getan haben, bevor sie „alles hatten“.

Die Anzahl der Dampfer steigt vermutlich immer noch leicht, trotz der Berichte in den Medien. Allerdings liegt die Motivation bei den augenblicklichen Umsteigern selten in gesundheitlichen Aspekten. Der Preis ist für viele ein ausschlaggebender Faktor, denn man kann leicht gegenüber dem Rauchen 100 € und mehr im Monat einsparen. Viele Hobbydampfer wechseln auch deswegen zu Pods, weil sie „einfacher“ sind. Einige unserer Bekannten waren 2018 und Anfang 2019 noch mit Tube und RDA im Hochpreissegment unterwegs und haben heute eine Caliburn bei sich.

Das hat nicht nur auf den Hardware-Markt, der in gewissen Bereichen gerade komplett zusammenbricht Auswirkungen, sondern auch auf alle anderen Bereiche. Wer mit seiner (Beispiel) Caliburn für 30 € zufrieden ist, kauft kein Kit für 90,- €, und keine 2 Akkus à 10 € im lokalen Shop und verbraucht auch keine 20 oder mehr ml Liquid am Tag. Und weil es ein Podsystem ist, fallen auch (handmade) Coils, Wickelsets, Akkus, Ladegeräte, Taschen, Dampferwatte zu 500€ das kg, Shortfills usw. als Umsatz weg!

Wie Blei liegen Boxmods und Tubes, RDAs und RTAs und all die übrige Hardware, die wir „Hobbydampfer“ „brauchen“, in den meisten Regalen. Genau wie die meisten „Premium“ Liquids. Einfache Pods und AIOs, Einsteigerkits, Aromen (die werden wieder deutlich häufiger nachgefragt!) und Longfills laufen zumindest Offline in unserem Umfeld durchaus solide! Es wird immer klarer, dass sich diese Situation vermutlich in der Zukunft noch zuspitzen wird. Trotzdem werden immer noch reihenweise Produkte auf den Markt geworfen, die der Entwicklung nicht im geringsten Rechnung tragen. Wer aktuell eine neue Liquidlinie als neues Brand mit 100/120ml Shortfills in der Preisklasse über 20 € herausbringt, hat 2019 offenbar verschlafen!

Das Marketing

Bei einem sehr großen Prozentsatz der neuen Produkte versagt auch das Marketing. Selbst rudimentäre Dinge wie Crosslinking von Herstellern auf Reviews (natürlich primär auf positive), die in jeder anderen Branche üblich sind, findet man bisher kaum.

Die Zeiten, in denen eine Handvoll (bezahlte) Reviews ein Produkt zum Kassenschlager gemacht haben, sind vorbei. Heute ist „harte“ Social Media Arbeit angesagt, die sich auch nicht in schon 4 Wochen massiv auswirkt. Dabei bringt es nichts, Mitarbeiter mit mehreren Accounts auf Facebook enthusiastische Lobeshymnen schreiben zu lassen und die User für so dumm zu halten, dass sie es nicht merken. Sowas hat eher negative Auswirkungen. Die schwerste Aufgabe eines Anbieters ist heute wohl, es überhaupt ins Sortiment der Shops zu schaffen! Die Kunden probieren Offline sehr oft das, was ihnen empfohlen wird, und schon diese Vorauswahl des Verkäufers entscheidet massgeblich, was bei IHM ein Verkaufserfolg werden wird. Diese „Werbung“ ist für den Anbieter auf dem Gesamtmarkt entscheidend. Was Reviewer empfehlen und was in der Blase diskutiert wird, kommt bei 95% der Dampfer nie an und wird zudem selbst innerhalb der Blase inzwischen recht kritisch gesehen.

Das Interesse an einem tiefen Einstieg in das Thema ist bei vielen neuen Dampfern nicht mehr vorhanden

Selbst mit den Grundlagen wollen viele aus der „Community“ sich gar nicht mehr befassen; die Details sind oft völlig uninteressant geworden. Sogar viele der Dampfer, die heute „ihre Füße ins Wasser der Hobby- und Enthusiast-Szene“ halten, bringen eigentlich nicht mehr das nötige Interesse mit.

Einen Einsatz, der über auspacken, irgendwie wickeln oder mischen hinausgeht, will man selbst nicht leisten! Sich mit einem RTA befassen? Verschiedene Wicklungen probieren und schauen, was einem selbst am besten passt? Mit der Airflow und Coilposition spielen? Alles zu viel Arbeit! Gleichzeitig will man aber gern einen Selbstwickler nutzen, denn bei so manchem haben Fertigcoiler bis heute den Ruf, für „Einsteiger“ zu sein. Und diese Kunden wollen keine „Einsteiger“ sein 😉 .

Dazu kommt, dass viele sich von einem Selbstwickler eine merkliche Kostenersparnis versprechen. Man muss ja „nur ein einziges Mal ordentliche Coils einbauen“, und ab dann wechselt man ja auf „ewig“ nur noch die Watte. Das funktioniert natürlich so nicht in der Praxis.

Uns ist bewusst, dass viele in der Szene suggerieren, es „ist ja alles ganz einfach“ – und eigentlich ist es das auch. Jedenfalls dann, wenn man die Lust und Zeit und Geduld hat, sich damit zu befassen! Fehlt das, ist man auch im Jahr 2019 mit einem Fertigcoiler einfach besser bedient!

Fazit:

Der Dampfermarkt verändert sich, und es bringt nichts, davon zu träumen, wie es mal war. Man passt sich an, oder man schliesst in absehbarer Zeit seinen Laden zu. So ist das in allen Branchen, und so wird es auch hier sein. Wer den Spagat zwischen Massenmarkt und Fachhandel für die „Freaks“ schafft, wird auf Dauer weiter erfolgreich sein. Aber 2018 kommt nicht wieder!

(1) https://imgur.com/mT1KO3a

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