Youtuber, Hersteller und Händler als Lebensretter?

Letzthin beim Dampfsportdojo sind wir über eine Aussage gestolpert, die uns immer noch nachdenklich macht. Nein, wir meinen nicht die Idee, dass „nur alte Leute am Coronavirus sterben“ – obwohl auch diese ein gelindes Stirnrunzeln verursacht hat. Aber man weiß ja, wer es sagt und mißt ihm also nicht zu viel Bedeutung bei :).

Fast noch erschreckender fanden wir die Aussage, dass Youtuber und andere Branchenteilnehmer ständig Leben retten, weil sie mit ihren Videos und Informationen Raucher zum Dampfen bringen.

Wir haben mal wieder eine Umfrage gemacht 🙂 .

Die Frage lautete: Habt ihr euch VOR dem Umstieg Videos auf Youtube zu dem Thema angesehen?

  • 250 Teilnehmer haben keine Videos vor dem Umstieg geschaut.
  • 154 Teilnehmer haben den Kanal „Liquidhimmel“ geschaut.
  • 29 Teilnehmer haben Obi geschaut.
  • 25 Teilnehmer haben andere Youtuber geschaut.
  • 23 Teilnehmer haben Dampfdidas geschaut (was etwas verwunderlich ist, da auf diesem Kanal keine Einsteigervideos gezeigt werden, sondern ausschließlich Produktvorstellungen).
  • 22 Teilnehmer haben Steamshots geschaut (was etwas verwunderlich ist, da auf diesem Kanal keine Einsteigervideos gezeigt werden, sondern ausschließlich Produktvorstellungen).
  • 16 Teilnehmer haben Dampfwolke 7 geschaut.
  • 6 Teilnehmer haben Tony Vapes geschaut (was etwas verwunderlich ist, da auf diesem Kanal keine Einsteigervideos gezeigt werden, sondern ausschließlich Produktvorstellungen).
  • 4 Teilnehmer haben VSI Simon geschaut (was sehr verwunderlich ist, da auf diesem Kanal jede Menge Basis- und Umsteigercontent zu finden ist, trotzdem nutzen das nur so wenige).

Das bedeutet, daß der weitaus überwiegende Anteil entweder ganz ohne Youtuber oder mit „den ganz alten“ Videos von Dampferkanälen, die heute kaum noch oder gar nicht mehr aktiv sind, umgestiegen sind.

Werbung in die Blase hinein ist keine Hilfe beim Umstieg.

Zunächst einmal stellt sich die Frage, ob und wie der potentielle Dampfer einen Youtubekanal findet. Das ist relativ einfach zu beantworten:

Die ersten Suchergebnisse bei entsprechender Anfrage

Und – ganz erstaunlich – da sind die „üblichen Verdächtigen“, die sich für Lebensretter halten, gar nicht dabei. So arg wundern muß man sich aber wohl eher nicht darüber, denn wie gesagt, bieten die meisten dieser Influencer gar keinen Einsteiger-Content an. Und daß ein Anfänger gezielt nach bestimmten Geräten oder Liquids sucht, ist eher unwahrscheinlich, weil er gar nicht weiss, was es überhaupt gibt.

Die Produktvorstellungen richten sich an etabliertere Dampfer,

die bereits wissen, dass es mehr als ihr derzeitiges Einsteigergerät gibt und die neugierig sind und gern mal etwas ausprobieren. Also an die typischen Mitglieder der „Blase“, die auf Facebook und Youtube, in Dampfergruppen und Dampferforen unterwegs sind und deren HwV leicht zu triggern ist. Den Umstieg haben diese Dampfer bereits erfolgreich hinter sich. Dafür brauchen sie keine Gerätevorstellung mehr – und das wissen auch die Anbieter und Youtuber ganz genau.

Deswegen wurden jahrelang mehrmals die Woche Videos hochgeladen, in denen ein neues Must Have oder #beschde in die Kamera gehalten und von allen Seiten gezeigt wurde. Mit mehr oder weniger sinnvollen und/oder zutreffenden Erklärungen zu dem Gerät/Liquid, bei denen der erfahrenere Dampfer merkt, dass sie teilweise völliger Schwachsinn sind, der relativ neue, experimentierfreudige Dampfer aber nicht. Beispielhaft hierfür ist zB die Aussage „speziell für das Dampfen hergestellte Watte…“, oder „Verdampfer mit Bottom Airflow siffen ja alle immer etwas…“, oder „das Liquid schmeckt nicht authentisch und kratzt im Hals, deswegen muss man mehr davon dampfen, dann gewöhnt man sich dran“. Ganz peinlich wird es dann, wenn jemand sich offensichtlich überhaupt nicht mit dem Gerät beschäftigt hat, das er erklären möchte und selbst nicht damit klarkommt.

Das Paradebeispiel dafür ist natürlich immer wieder das Video über den Geekvape Lucid (3). Da ist sogar der bayerische Dampfer eskaliert und hat sich aufgeregt, was für einen Müll sein Kollege uns da zugemutet hat (4).

Sehr erheiternd fanden wir auch die elf Minuten Hektik… – äh das elf Minuten lange Video über den Asvape Zeta MTL RTA, bei dem es ständig um „zu offenen Zug für MTL“ ging und der Airflow reducer für einen Squonker Pin gehalten wurde (5, bei 9:20). Ganz erstaunlich, dass solche Koryphäen auch weiterhin Testgeräte zugeschickt bekommen! Für den Einsteiger sind natürlich solche Erklärungen nicht allzu hilfreich. Und erst recht nicht lebensrettend!

Lebensrettung durch Liquids 🙂

Etliche Youtuber vertreiben ja inzwischen auch ihre eigenen Liquidserien. Lassen häufig schon die Labels Fragen aufkommen, wer wohl die Zielgruppe für diese „lebensrettenden“ Flüssigkeiten sein mag, leisten sich einige Marktteilnehmer besonders fragwürdige Kreationen.

Letztens wurden zB die Longfills „Haptsule“ und „Arbayszam“ im Dampfsportdojo in die Kamera gehalten und beworben. Möchte da jemand das Leben von jugendlichen Hauptschülern retten? Oder von Schulabbrechern, die wegen Rechtschreibschwäche das Arbeitsamt aufsuchen? Oder ist es nur ein witziger Zufall, der natürlich NICHTS damit zu tun hat, dass die Gatewaytheorie immer noch durch die Köpfe derjenigen spukt, die an der Festsetzung der neuen TPD arbeiten?

Kann man so machen; man kann diese Liquids auch in seinem Shop anbieten, wenn man im Vorstand des VdeH ist. Und Dipl. jur.. Ob das sinnvoll ist, wäre allerdings eine andere Frage.

Der durchschnittliche Dampfer ist 43 Jahre alt

lt einer Studie der Firma Innocigs in 2019. Das bedeutet, dass auch der potentielle Umsteiger im Schnitt über 30 Jahre alt ist. 78% der Dampfer haben lt dieser Umfrage einen Realschulabschluss oder Abitur. Und diesem Käuferkreis setzt man solche Namen und Designs vor? Knapp vorbei an der Zielgruppe, meinen wir!

Die Werbung ist ein ähnlich dunkles Kapitel…

Beispielhaft soll hier ein Bild einer bekannteren Firma dienen, die zumindest das Alter der Zielgruppe wenigstens annähernd erfasst hat :).

Werbung auf Instagramm

97% der Dampfer sind ehemalige Raucher. Vielleicht möchten sie auch lieber Raucher bleiben, anstatt so einer Werbeikone nachzueifern!

Die Glaubwürdigkeit

Zu diesem Thema gab es einen Facebook-Thread in der Stattqualm-Gruppe.

  • 265 User stimmten dem Themenersteller zu, dass kurze, schlampige, oft fehlerhafte Rezensionen bei deutschen Reviewern oft ein Problem sind.
  • 22 User fanden, dass Stattqualm keine Reviews braucht, um bei der Community anzukommen
  • 3 User stimmten der Frage nicht zu
  • 13 User machten sich über die Fragestellung lustig („ich mag Züge“ und „heul leise, Chantal“).

Insgesamt brachte die Diskussion zum Ausdruck, dass gerade bei den etwas anspruchsvolleren Geräten wie den Squapes die Fehlerquote der Youtuber sehr hoch ist. Die ausgeklügelten Features und durchdachten Details werden häufig entweder nicht angeschaut oder nicht verstanden oder nicht erklärt – egal aus welchem Grund sie fehlen, der interessierte Umsteiger erfährt jedenfalls nichts davon.

Fazit:

Die einzigen Leben, die von den meisten Youtubern gerettet wurden, waren ihre eigenen.

Das ständig anders zu kommunizieren, deutet auf einen fortgeschrittenen Realitätsverlust hin.

Kommentare sind wie immer bei Facebook herzlich willkommen

(1) https://www.youtube.com/watch?v=wUoBsHo-tCg

(2) https://www.youtube.com/channel/UCBfklet-t48PRWltcHKk-OA

(3) https://www.youtube.com/watch?v=cwPp9JUpHYU&fbclid=IwAR3WPY4F1QIqyZc-SJiCB-mzz1Nu-4sWpDsiPMi18Rfj7aE9UDcRxTCt-zY

(4) https://www.youtube.com/watch?v=zXRYF6I5Xao&feature=youtu.be&fbclid=IwAR01gRGeREls-ClvFhTxBhrvoaI7CQ9i1vw6FPM8rMK7ct0qPLLfZ75L2hQ

(5) https://www.youtube.com/watch?v=l5H2lR0oelI&fbclid=IwAR0aeSRTqbczlkRbY4mNSJtzRx87-7Z5oY9Re9apk5e7S8aT23_LPWHAUig