Sucralose 2.0 – und immer noch nichts verstanden!

Der Online-Blog eines selbsternannten Gurus, der angeblich kein Guru ist, sondern nur „zufällig“ so heißt, hat mit seinem am 11. Oktober erschienenen Kommentar zur Sucralose (1) auf der (zufällig!) gleichnamigen Chaos-Seite ein weiteres Meisterstück der Desinformation abgeliefert.

Vor einigen Wochen hatte ein Youtube-Kanal, dem nicht nur der „Guru“-Blog, sondern auch etliche „freundliche“ Mit-Influencer seit geraumer Zeit sehr übel mitgespielt hatten, ein Video (2) veröffentlicht. Er bezog sich darin auf ein Posting von Professor Dr. Bernd Mayer im Forum E-Dampfen über die mögliche Schädlichkeit von Sucralose in unseren Liquids.  Der anerkannte Pharmakologe und Toxikologe nahm dort an einer Diskussion teil und regte wegen einer Warnung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) aus April 2019 (4) an, vorerst – bis zur endgültigen Klärung der möglichen Schädlichkeit (6) – auf den Zusatz von Sucralose zu verzichten und die Liquids, in denen sie enthalten ist, zu kennzeichnen (3). Diese Anregung ging als Gutachten an den Händlerverband BfTG.

Nun könnte man annehmen, dass die Hersteller und Händler (und vielleicht sogar der „Guru“) beim Gedanken, sie könnten vielleicht ihren Kunden schaden, sofort reagieren und die Käufer informieren, sowie den potentiell schädlichen Stoff aus der Produktion nehmen. Aber weit gefehlt. Das „anstößige“ Video des Youtubers erschien im September –   also sechs Monate nach der öffentlichen Stellungnahme des BfR und kurz nach der Empfehlung des Professors in seinem Gutachten. Dass der Händlerverband so ein Gutachten überhaupt in Auftrag gegeben hat zeigt, dass man sich eines möglichen Problems bewusst war…

Bis dahin hatten zwar die seriösen Firmen ihre Produktion längst umgestellt, aber die lauten, aggressiv-primitiv werbenden Produzenten hielten das für unnötig. Dementsprechend – man mag es fast nicht glauben – wurden sie völlig überrascht, als die vom „Guru“-Blog als „Wutdampfer“ bezeichneten Konsumenten nicht nur nachfragten, welche Hersteller Sucralose zusetzen, sondern auch bei unzureichenden Auskünften bestimmte Liquids mieden.

Was ist nun dran an dem Sucralose-„Problem“?

Kurz gesagt: Wir wissen es (noch) nicht.

„Wir“ bedeutet, dass niemand zum heutigen Zeitpunkt sagen kann, ob und wie sich die unbestritten vorhandene Schadstoffentwicklung beim Erhitzen von Sucralose auswirkt.  Weder weiß es der „Guru“-Blog, noch ist das Video von Vape Scene Investigation (5) mehr als reine Spekulation und Beruhigungsversuch . Der Händlerverband VdeH hat Tests in Auftrag gegeben. Auf die Ergebnisse werden wir alle noch Wochen oder Monate warten müssen. Bis dahin zeigt das beispielhafte Statement eines Herstellers (von vielen!) auf Facebook, wie die Branche teilweise mit den berechtigten Fragen ihrer Kunden umgeht.

Quelle: Dominik Burda – (Head of Marketing Bang Juice)

Mal ganz klar gesagt: Wir haben das Video „gegenanalysiert“ – alle Belege dafür, dass die Hersteller schon lange hätten reagieren müssen, sind einfach zu finden und unter diesem Text verlinkt.  Zwar geraten wir deswegen nicht in Panik – warum auch? Wir meiden einfach Liquids, von Herstellern, die keine Auskunft gegeben haben! – aber wir entscheiden wie immer als mündige Verbraucher. Wie kommt Herr B. darauf, dass es irgendjemanden interessiert, was er hören kann oder will? Übrigens meint der „Guru“-Blog:

„Wenn man auf Sucralose verzichten will, ist das völlig legitim.

Dann reicht es aber, einfach mal nett bei seinem Offliner, dem Online Händler oder dem Hersteller nachzufragen.“

BLOG VAPERS.GURU

Ja, so dachten wir uns das eigentlich auch…

Im gesamten Lebensmittelbereich sind gerade Zusätze wie Sucralose mit völliger Selbstverständlichkeit deklariert – wir haben noch nie eine Firma jammern hören, dass es die Käufer nichts angeht, weil ihre Rezepte so geheim sind. Selbst bei Coca Cola sind auf dem deutschsprachigen Etikett folgende Zutaten offiziell angegeben:

Wasser, Zucker, Kohlensäure, Lebensmittelfarbstoff: E 150d (Zuckerkulör), Säuerungsmittel: E 338 (Phosphorsäure), Aroma, Koffein.

QUELLE: GOOGLE

Und Bang Juice kann/muss das nicht? Stattdessen serviert uns Herr B. eine Behauptung ohne Quellen und Messwerte als Beruhigung, denn es ist unwahrscheinlich, dass die dortigen „ersten Tests“ (falls er überhaupt die technischen Voraussetzungen hat, so etwas selbst zu testen!) bereits irgendwas ergeben haben, das man wissenschaftlich so auslegen kann. Warum das so ist, hat der „Guru“-Text schön erklärt:

„Und das ist nicht so einfach, denn es gibt keine Labors die sowas standardmäßig anbieten. Die müssen dazu erst einmal über einen Versuchsaufbau und ein Design nachdenken. Also welche Liquids, wie viele Liquids und bei welchen Temperaturen man sie testet. Und natürlich wie man den Dampf dann fängt und analysiert.“

BLOG VAPERS.GURU

Und dann ist es nicht nur mit dem Messen getan. Man muss das auch auswerten und das Risiko einstufen und klassifizieren. Und dieser Teil wird vermutlich Jahre dauern.

Die zwei uns bekannten PeerReviewed Studien, die wir unten verlinken, kommen zu Messwerten, die eher beunruhigend sind. (10) (11) Matthias Jung hat in seinem Blog Stellen ins Deutsche übersetzt. (12)

Aber Bang Juice kann sowas in der häuslichen (Gerüchte-)Küche? Und dann kommt – eingebettet in eine Ausdrucksweise, die allein schon dazu geeignet ist, einen größeren Teil der potentiellen Käufer abzuschrecken – der zentrale Satz:

„Die E-Zigarette erleidet massiv Einbrüche.“

STATEMENT DOMINIK BURDA

Nein, Herr B.! Nicht „die E-Zigarette“ erleidet deswegen Einbrüche, sondern Hersteller, die ihre Kundschaft nicht nur als dumm bezeichnen, sondern auch als solches verkaufen wollen.

Was man über das Erhitzen von Sucralose im Netz findet

Fakt ist, dass beim Erhitzen von Sucralose über 120°C Schadstoffe freiwerden. Nachdem Propylenglykol einen Siedepunkt von 188,2°C hat und Glycerin von rund 290°C ist davon auszugehen, dass beim Verdampfen höhere Temperaturen als 120°C in jedem Fall erreicht werden (müssen).

Die älteren Leser mögen sich vielleicht an den Seveso-Skandal 1976 erinnern, bei dem Dioxine (ähnliche Stoffe sind es, die bei der Erhitzung von Sucralose gebildet werden) durch einen Unfall in einem Chemiewerk freigesetzt wurde. Es gab damals keine direkten Toten, aber die Langzeitschäden sind inzwischen gut untersucht:

„Eine Studie zeigte eine vollständige Umkehr des Verhältnisses der Geschlechter. Obwohl in der Bevölkerung allgemein ein Verhältnis von 106 Männern auf 100 Frauen vorzufinden ist, beträgt dieses in Seveso 48 Frauen zu 26 Männern (Anm. das entspricht einem Verhältnis von 54,2 Männern auf 100 Frauen). Dies weist auf eine umfassende Änderung des hormonalen Stoffwechsels hin.“

PIERRE A. BERTAZZI (7)

Auch das Krebsrisiko ist bei etlichen Dioxinen gut untersucht. Es steigt um ein Vielfaches. Hierzu lesen wir im „Guru“-Blog:

„Ein Krebsrisiko heißt Krebsrisiko, nicht Krebsgewissheit. Die meisten Raucher leiden jedoch an COPD oder der Schädigung ihrer Arterien.“

BLOG VAPERS.GURU

Stimmt wahrscheinlich – nur sind wir ja genau deswegen keine Raucher mehr. Es hat schon eine gewisse Arroganz, zu sagen: „Weil ihr X Jahre geraucht habt, ist es jetzt egal, was ihr euch reinzieht!“, finden wir. Auch wenn wir beruflich Testfahrer für die Formel 1 sind und 50 Jahre geraucht haben, ist es immer noch unsere Entscheidung, welche potentiellen Risiken wir beim Dampfen eingehen wollen. Und welche nicht!

Selbstverständlich sind wir Dampfer – selbst wenn wir die vom „Guru“-Blog für „nicht förderlich“ gehaltene Menge von 40 ml am Tag konsumieren – niemals einer solchen Menge Schadstoffe auf einen Schlag ausgesetzt, wie in Seveso frei wurde. Wie das jedoch auch bei Kleinstmengen auf Dauer aussehen mag, weiß niemand. Daher könnte man es vielleicht als etwas dreist ansehen, lapidar zu konstatieren:

„Das Bild der geldgeilen Gewissenlosen, die einfach etwas zusammenrühren und an doofe Dampfer verbimseln, ist einfach falsch.“

BLOG VAPERS.GURU

Denn genau das ist es, was einige Hersteller und Händler tun! Der etablierte Youtuber „Vanderzarth“ hat bereits am 17.09.2014 ein ausführliches Video über Sucralose erstellt (8). Die Timeline unter diesem Film:

„Timeline: 0:26 Einleitung 4:35 Darstellung der Anbieter 6:55 Pestizid?! 28:02 Verdauung von Sucralose 31:36 Umweltbelastung 34:36 Neue Studien zeigen Risiken 46:53 Dr. Joseph Mercola 52:58 Zulassungsverfahren und Studien 57:05 Verbreitung 58:25 Fazit“

VIDEO VANDERZARTH

Die geheuchelte Überraschung einiger Zeitgenossen im September 2019 (fünf Jahre später!) ist also an Zynismus fast nicht zu überbieten.

Was interessiert mich mein Sucralose-Geschwätz von gestern?

Es gibt noch einen zweiten „Kommentar“ zur Sucralose auf dem „Guru“-Blog, der am 08.09.2019 erschienen ist (9). Dort lesen wir:

„Um es mal ganz deutlich zu sagen: Es geht die Leute nix an.

Es geht sie schlicht nichts an, was sie fressen und trinken (und dampfen). Das ist Vertrauenssache. Gegenüber dem Staat und dem Verbraucherschutz, der das kontrolliert. Und gegenüber dem Hersteller.“

BLOG VAPERS.GURU

Das beeindruckt uns jetzt sehr! Also nicht wegen der unflätigen Ausdrucksweise – die ist man ja schon gewohnt, wenn man „Guru“-Texte liest – sondern weil es das genaue Gegenteil von dem ist, was uns einen Monat später verkauft werden soll. Und nicht nur an dieser Stelle hat irgendwie eine wundersame Bekehrung stattgefunden. Auch die Interpretation dessen, was Professor Dr. Mayer „meint“, ist ziemlich eigenwillig:

„Was Prof. Dr. Bernd Mayer auch sicher mit seiner Aussage in Forum meinte „Als Konsument würde ich diesbezüglich die Händler unter Druck setzen.“

Selbstverständlich sollte man das tun. Aber es kann doch nicht die Lösung sein, wenn jeder Hinz und Kunz angestachelt von einem reißerischen YouTube Video nun irgendwelche Leute nervt.“

BLOG VAPERS.GURU

Der ganze Stil des sehr von oben herab gehaltenen Textes (bis auf die Wortwahl, die ist von ganz unten aus der Gosse) zeigt eine Arroganz in der Vertretung der Händlerposition, die sich zum Glück nicht halten ließ.

„You know nothing Joey Snow!“

YGRITTE, GAME OF THRONES – ANGEPASST

– der Verbraucher entscheidet mit seinem Kaufverhalten sehr viel mehr, als selbsternannte Koryphäen und von Hybris geplagte Verkäufer bisweilen glauben wollen!

Harm reduction?

Am Ende beglückt uns der „Guru“-Blog im aktuellen Text mit seiner persönlichen Einschätzung. Diese lautet kurz zusammengefasst:

„Und ich kann mir absolut kein Szenario vorstellen, in dem das Dampfen auch nur annähernd an die Gefahren der Tabakzigarette heranreicht. Um Längen nicht.“

BLOG VAPERS.GURU

Nur war es überhaupt nicht die Frage, ob sich die vielfach zitierte Einschätzung der britischen Gesundheitsbehörden von der um 95% geringeren Schädlichkeit der E-Zigarette im Vergleich zur Tabakzigarette durch das Sucralose-Thema ändert. Und natürlich auch nicht, was sich der „Guru“-Blog in seiner Phantasie ausmalen kann.

Es ging ganz einfach um die Handhabung dieser potentiellen Schädlichkeit durch die Hersteller und Händler. Niemand wird auf der Stelle tot umfallen, wenn er sucralosehaltige Liquids dampft, nicht einmal bei 40 ml am Tag. Manche Firmen deklarieren ganz selbstverständlich die Zusatzstoffe ihrer Aromen, andere winden sich mit fadenscheinigen Ausreden und dem Hinweis, dass es keine Deklarationspflicht gibt. Richtig, das ist strittig. Aber auf den ganz normalen Käufer, der einfach nur dampfen will, ohne sich dabei unnötige Schadstoffe zuzuführen, macht es nunmal keinen guten Eindruck, wenn ihm diese Auskunft verweigert wird.

Man darf sich Gedanken machen, warum der „Guru“-Blog so sehr um eine klare Aussage herumeiert und wie ein Chamäleon die Meinung wechselt! Oder man schaut einfach mal außer dem Text auch das Drumherum auf jeder Blogseite an (jaja, es flackert und flimmert zum Steinerweichen – aber mal so zu Informationszwecken, nur ganz kurz!)…

Auch den Standpunkt von Vape Scene Investigation (VSI) (5) bei diesem Thema haben wir als enttäuschend empfunden. Das lange Zeit durch konsequente „pro consumer“-Haltung aufgebaute Vertrauen erhält hier einen Knacks, der nicht leicht zu reparieren sein wird. Wir schauen uns das weiterhin an!

Das ist der Grund, warum wir auf diesem Blog keinerlei Werbung dulden. Und warum niemand von uns einen finanziellen, materiellen oder ideellen Benefit von irgendeinem Hersteller oder Händler erhält.

Oh und übrigens: Überall, wo wir „der“ Dampfer, Käufer, Hersteller… geschrieben haben, meinen wir selbstverständlich auch die weiblichen und die diversen Adressaten. Nur wegen der flüssigen Lesbarkeit haben wir auf die Nennung aller Geschlechter an jeder Stelle verzichtet. Der Text ist auch so schon lang genug!

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QUELLEN:
(1) HTTPS://WWW.VAPERS.GURU/2019/10/11/TOD-DURCH-SUCRALOSE/
(2) HTTPS://WWW.YOUTUBE.COM/WATCH?V=DT5D27GR-MG&T=28S&FBCLID=IWAR1NZDP2RGIO1SHJ4RZ9MVLUDKTYKK5WYD5O-GLTY8DNQG7PFAKIYKQSR4Q
(3) GANZ UNTEN: HTTP://E-DAMPFEN-FORUM.DE/SHOWTHREAD.PHP?TID=6212&PAGE=8&HIGHLIGHT=SUCRALOSE&FBCLID=IWAR0K-YH3XRKN0ABEYQVKWFRDQDVLQTMHEPWNWKHTEZXPHPYFZNWTFLKK3MW
(4) HTTPS://WWW.BFR.BUND.DE/CM/343/SUESSSTOFF-SUCRALOSE-BEIM-ERHITZEN-VON-LEBENSMITTELN-KOENNEN-GESUNDHEITSSCHAEDLICHE-VERBINDUNGEN-ENTSTEHEN.PDF
(5) HTTPS://WWW.YOUTUBE.COM/WATCH?V=SC8_VYR9ZPE&FBCLID=IWAR24J2FTKX-OEV1R2DHTUN_VQLYSPBPB5ZJMLJARSLYVUPW1Y96HCWE8OAA
(6) HTTPS://PUBS.ACS.ORG/DOI/SUPPL/10.1021/ACS.CHEMRESTOX.9B00047/SUPPL_FILE/TX9B00047_SI_001.PDF  
(7) P. A. BERTAZZI, I. BERNUCCI, G. BRAMBILLA, D. CONSONNI, A. C. PESATORI: THE SEVESO STUDIES ON EARLY AND LONG-TERM EFFECTS OF DIOXIN EXPOSURE: A REVIEW. IN: ENVIRONMENTAL HEALTH PERSPECTIVES. BAND 106, SUPPL 2, 1998, S. 625–633
(8) HTTPS://WWW.YOUTUBE.COM/WATCH?V=NJ7OO27COXM 
(9) HTTPS://WWW.VAPERS.GURU/2019/09/08/FAKTENSUCHE-SUCRALOSE-PANIK/
(10) HTTPS://WWW.TANDFONLINE.COM/DOI/ABS/10.1080/02786826.2019.1645294?JOURNALCODE=UAST20
(11)HTTPS://PUBS.ACS.ORG/DOI/FULL/10.1021/ACS.CHEMRESTOX.9B00047
(12) HTTPS://MATZES-DAMPFERECKE.DE/2019/09/08/SUCRALOSE-%E2%81%89%EF%B8%8F/
BILDQUELLE: DOMINIK BURDA